Unsere Zeit in China während der Pandemie

Auslandsaufenthalt im Epizentrum des Corona – Virus

Gleich Anfang Januar ging es los, und ich flog gemeinsam mit Eric in das weit entfernte China. Aufgrund unseres gewählten Studienschwerpunktes „International Business“ ist der Aufenthalt ein fester Bestandteil des dualen Studiums bei Wortmann. Dieser bot uns die Möglichkeit, neben dem Detmolder Geschäftsalltag auch einen ersten Einblick in die asiatische Businesswelt zu bekommen.

Von Frankfurt aus gestartet, landeten wir nach rund zwölf Stunden Flugzeit wohlbehalten in Hong Kong. Dort wartete bereits ein Fahrer unserer Tochtergesellschaft Novi und brachte uns zum Office, welches sich in der Millionenstadt Dongguan befindet. Wir wurden von allen sehr nett und herzlich empfangen, bekamen direkt eine Rundführung durch das Office und eine erste thematische Einführung in unsere Abteilungen. Eric wurde dem Bereich s.Oliver shoes und ich der Abteilung Tamaris zugeordnet. In den darauffolgenden Wochen lebten wir uns schnell ein, lernten viele neue Leute kennen und bekamen in unseren Abteilungen eine Menge spannenden Input. Wir besuchten zudem einige Produktionsstätten für Musterschuhe. Nebenbei nutzten wir unsere freie Zeit, um die facettenreiche und eindrucksvolle Stadt Dongguan zu erkunden.

Kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest und den dazugehörigen Neujahrsferien, die am 25.01. begannen, stand unsere Weiterreise nach Kambodscha an, der nächsten Station unseres Trainee Programms. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Virus mit seinem Ursprungsherd in der Provinz Hubei ein immer größeres Gesprächsthema in China. Die anfängliche Sorglosigkeit, die auf Annahme der fehlenden Übertragbarkeit des Corona-Virus von Mensch zu Mensch beruhte, erwies sich – wie wir alle heute wissen - als fatal. Es gab bereits über tausend Infizierte in Hubei und Einzelfälle in Thailand, Japan und Südkorea.

Während wir am Flughafen Shenzhen auf unseren Flieger nach Kambodscha warteten, konnten wir beobachten, dass bereits ein Großteil der Menschen Mundschutz trug, Handdesinfektionsmittel benutzte oder das Anfassen von Türgriffen, Kofferwagen etc. möglichst vermied. Eine gewisse Unruhe war deutlich spürbar. Äußerst ungünstig war der Zeitpunkt der Verbreitung, denn Millionen Chinesen reisen während der Neujahrsferien zurück zu ihren Angehörigen, die in verschiedensten Provinzen Chinas oder gar in anderen Ländern leben.

Angekommen in Phnom Penh, Hauptstadt und wirtschaftliches Zentrum Kambodschas, nahmen wir die Situation zunächst etwas ruhiger wahr. Kaum Schutzmasken im Einsatz und die Medien berichteten hauptsächlich über den Ursprungsherd des Coronavirus.

Dieser Eindruck hielt allerdings nur kurz an. Nachdem wir ein paar Tage in den Produktionsstätten waren, die Produktionsschritte nachvollziehen konnten und uns wichtiges Praxiswissen über den Schuhherstellungsprozess aneignen konnten, folgte dann auch in Kambodscha die dringliche Empfehlung, Schutzmaskenmasken zu tragen und verstärkt auf Handdesinfektion zu achten. Denn das Virus verbreitete sich schnell. Wir wussten bereits, wenn sich die Lage weiter verschärfen sollte, würde es mit der eigentlich geplanten Rückkehr und Fortsetzung unseres Trainee-Programms in China schwierig werden.

Die Situation in China spitzte sich während unserer Zeit in Kambodscha tatsächlich so weit zu, dass wir uns mit der Personalabteilung darauf verständigten, zwei Wochen länger als geplant in Kambodscha zu verbleiben, um die weitere Entwicklung abzuwarten. Leider breitete sich das Virus in China jedoch ungehemmt weiter aus und ließ somit eine Rückkehr nach Dongguan endgültig nicht mehr zu.

Wir waren daher sehr froh und dankbar, dass uns das Novi-Team spontan die Fortsetzung unseres Asienaufenthaltes in Vietnam ermöglicht hat.

So hatten wir auch die einmalige Chance, Kultur und Wirtschaftsleben eines weiteren asiatischen Landes kennenzulernen.

In Vietnam konnten wir die negativen Einflüsse des Virus besonders in den Produktionsstätten wahrnehmen: dort galten ebenfalls Masken- und Desinfektionspflicht sowie verschärfte Zugangskontrollen mit obligatorischem Fiebermessen vor Betreten des Firmengeländes. Zudem waren einige Produktionslinien nicht mehr in Betrieb. Es gab erste Lieferengpässe beim Material, denn viele chinesische Zulieferer hatten ihren Betrieb zu diesem Zeitpunkt bereits wegen des COVID-19 eingestellt. Es wurde also insgesamt deutlich weniger produziert.

Generell fühlten wir uns aber zu jeder Zeit in Kambodscha und Vietnam recht sicher. Wir verspürten - bis auf die höheren Hygienevorkehrungen - kaum andere Beeinträchtigungen. Viele Menschen machten sich jedoch große Sorgen, teils unnötig angeheizt durch verschiedenste Fake-Videos, die im Internet kursierten. Hier waren drastische Auswirkungen von angeblichen Corona-Fällen zu sehen, die offensichtlich zusätzliche Ängste und Panik schüren sollten.

Als für uns die Rückreise anstand und wir am Flughafen in Hong Kong ankamen, konnten wir die erheblichen Ausmaße des Virus deutlich und sichtbar wahrnehmen. Das internationale Drehkreuz war nahezu menschenleer. Ohne anzustehen konnten wir unsere Koffer am Schalter abgeben und uns Zeit bei der Sicherheitskontrolle lassen – eine äußerst komfortable, wenn auch sehr ungewohnte Situation. Gleiches galt für unseren Flug. In unserem, für rund 70 Personen ausgelegten Abteil waren lediglich knapp 20 Plätze belegt. Das war einerseits ein wenig gespenstisch, hatte für uns aber natürlich den angenehmen Vorteil, dass wir sehr viel Beinfreiheit hatten. So gut wie jeder Fluggast hatte eine Sitzreihe allein für sich. Heile in Deutschland angekommen, mussten wir feststellen, dass das Coronavirus sich hier schon stärker verbreitet hatte, als wir es selbst angenommen bzw. den Nachrichtenmeldungen entnommen hatten.

Wir haben – auch wenn unser Praxisaufenthalt zunehmend von der Ausbreitung und den Folgen der Pandemie überschattet war – unvergessliche, wertvolle und prägende Eindrücke und Erfahrungen gewonnen sowie großartige Menschen in der Novi, den Produktionsstätten und der Bevölkerung kennengelernt. Dafür sind wir sehr, sehr dankbar!

Nun gilt es, in den nächsten Wochen mit aller Kraft dem Coronavirus zu trotzen. Jeder Einzelne steht in der Verantwortung und der Pflicht, seinen persönlichen Teil – vor allem durch die Einhaltung der Hygienemaßnahmen und des sozialen Abstandes - zur möglichst raschen Eindämmung des Virus beizutragen!

Eric und ich haben während unseres Asienaufenthaltes hautnah und mit Entsetzen erleben müssen, wie rasend schnell sich ein solches Virus länderübergreifend bzw. sogar über Kontinente hinweg ausbreitet.

 
 
 
Beitrag von
David
Dualer Student
27. April 2020
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